Reinhard und Max Mannesmann

Vielseitige Erfinder mit spannenden Lebensgeschichten


1885 meldeten die Brüder Reinhard und Max Mannesmann das weltweit erste Verfahren zum Walzen nahtloser Stahlrohre zum Patent an. Diese Erfindung revolutionierte Rohrleitungs-, Maschinen- und Fahrzeugbau. Sie war der Beginn von mittlerweile über 130 Jahren Stahlrohrgeschichte, die inzwischen im Salzgitter-Konzern fortgesetzt wird. Ende der 1890er Jahre nahm Mannesmann auch die Produktion geschweißter Stahlrohre auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Erfinderbrüder die Unternehmensleitung der Mannesmannröhren-Werke aber längst verlassen.

Reinhard Mannesmann reiste 1893 in die USA, begleitet von einigen jüngeren Brüdern, um dort die im Familieneigentum verbliebenen Auslandspatente des Röhrenverfahrens zu vermarkten.
Er startete mit einer Präsentation auf der Weltausstellung in Chicago, die so überzeugend war, dass der berühmte US-amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Alva Edison, sie als das Beeindruckendste bezeichnete, was er dort gesehen habe:

„A masterpiece of Men as Men should be“.

Max Mannesmann blieb in Deutschland, vertrat die Familieninteressen im Aufsichtsrat der Mannesmannröhren-Werke und verhandelte die finanziellen Regelungen zum endgültigen Ausstieg aus dem Unternehmen. Was zu diesem Zeitpunkt niemand wusste – keine ihrer späteren Erfindungen oder zahlreichen Unternehmensgründungen würde ähnlich großen und langfristigen Erfolg haben. Einige scheiterten sogar mit hohen finanziellen Verlusten, so wie die beiden Unternehmen zur Produktion von Fahrradrohren, die Reinhard Mannesmann in den 1890er Jahren in den USA gründete.

Der Erfolg auf der Weltausstellung hatte zwar die Türen zu höheren gesellschaftlichen Kreisen und zur Wirtschaft geöffnet. Reinhard und seine Brüder erhielten Einladungen ins Weiße Haus und in die Senatorenloge des amerikanischen Parlaments. In finanziellen Erfolg konnten sie das aber ebenso wenig umsetzen, wie Reinhards innovative Ideen zur Nutzung der Niagara-Fälle als Antriebskraft. 1899 kehrte Reinhard Mannesmann nach Deutschland zurück, wenn auch nicht für lange.

Schon per Briefpost zwischen dem heimischen Remscheid und den USA hatten Reinhard und Max Mannesmann diskutiert, ob eine eigene Röhrenproduktion und der Bau von Rohrleitungen in Russland Alternativen sein könnten. Reinhard dachte sogar an Rohrleitungen für pneumatische Paketbeförderung zwischen St. Petersburg und Moskau. Mehrere Russlandreisen, auch von Max Mannesmann, verliefen ähnlich wie in den USA - mit Geschäftsgesprächen, Festen und sogar Jagdausflügen nach Sibirien. Größere unternehmerische Ergebnisse hatte das alles aber nicht.

Parallel verfolgten Reinhard und Max Mannesmann andere Ideen weiter und unterstützten die Erfindungsarbeiten und Unternehmens­gründungen ihrer jüngeren Brüder, beispielsweise für eine neue Art des Gasglühlichts. Max Mannesmann gründete in Remscheid zudem ein eigenes „Technisches Büro“ für seine vielfältigen Erfinderaktivitäten und deren Verwertung. Das waren sowohl praktische Patente wie vorgefertigte Betonhäuser, aber auch damals noch kuriose Patentanmeldungen wie Zehenkammer­schuhe. 1908 beteiligte er sich an einer Fahrzeugfabrik in Aachen.

Reinhard Mannesmann beschäftigte sich immer intensiver mit dem Erzbergbau und kaufte Erzbergwerke und Schürfrechte im In- und Ausland. Dieses Interesse ging sogar so weit, dass er 1906 die mehrmonatige Hochzeitsreise mit seiner jungen Frau in Marokko verbrachte. Reinhard vermutete, dass sich die im Südwesten Spaniens gefundenen Erzvorkommen in Nordafrika fortsetzten und wollte die Geschäftsmöglichkeiten erkunden. Er knüpfte Kontakte zu den Einheimischen und kaufte in den folgenden Jahren in großem Umfang Schürfrechte für Erze sowie Boden für die landwirtschaftliche Nutzung. Einige seiner jüngeren Brüder folgten ihm in das Land und es entstanden mehrere Großfarmen und Handelsgesellschaften. Insgesamt bekamen die Marokko-Aktivitäten der Familie Mannesmann einen solchen Umfang, dass sie kolonialpolitische Auseinandersetzungen zwischen Frankreich, Deutschland und den Einheimischen auslösten. 1914, mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs, endeten sie abrupt.

Selbst während der intensiven Marokko-Zeit hatte Reinhard Mannesmann aber immer wieder auch andere Geschäftsmöglichkeiten geprüft. 1911 unterstützte er eine Expedition, die in Peru die Kautschuk- und Erzvorkommen untersuchte. Ein Abenteuer, als dessen einziges Ergebnis er in späteren Jahren gelegentlich eine peruanische Halskette aus Nusskernen vorgezeigt haben soll - als den angeblich „teuersten Schmuck“ seiner Frau.

Ab Kriegsbeginn konzentrierten sich Reinhard und Max Mannesmann auf Heeresbedarf und Handel. Reinhard wurde – obwohl er bereits 58 Jahre alt war – als Reserveoffizier einberufen und in Bulgarien und Rumänien eingesetzt. Vermutlich wollten die zuständigen Stellen von seinen umfangreichen Auslandserfahrungen profitieren. Max Mannesmann starb 1915 im Alter von 57 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung, die er sich beim Test eines Verwundetentransporters an der Front zugezogen hatte. Reinhard Mannesmann führte nach Kriegsende sein Fahrzeugunternehmen und seine Entwicklungs­arbeiten fort. Er starb 1922 im Alter von 66 Jahren.

 

Reinhard Mannesmann, 13.05.1856 - 20.02.1922

Max Mannesmann, 30.12.1857 - 02.03.1915